Ich erinnere mich noch an eine Szene aus meiner Bundeswehrzeit: Während der NATO-Pause, also der Frühstückspause für Soldaten, fragte ich, ob jene Tasse meine sei. Ein Kamerad, der mich etwas foppen wollte meinte: "Mach mal die Augen zu: Dann siehst du, was dir ist!" Schlagfertig schloss ich die Augen und fing mit meiner ironischen Aufzählung an: "Ich sehe einen Rolls Royse, eine Traumvilla, ein großes Schloss, Milliarden auf meinem Konto ...." Doch die Frage, was einem gehört, ist im Grunde wert, darüber ernsthaft nachzudenken. Ein Spruch, den man auf manchen Häusern sieht, gibt da sehr gute Denkanstösse: »Dieses Haus ist mein und doch nicht mein. Beim zweiten wird es auch so sein. Dem dritten wird es übergeben und der wird auch nicht ewig leben. Den vierten trägt man auch hinaus: Nun sag, mein Freund: Wem gehört dieses Haus?«
Kurz gefasst: Das letzte Hemd hat keine Taschen, und selbst die großen Pharaonen, Könige und Fürsten haben von ihren reichhaltigen Grabbeigaben nichts gehabt; diese wurden in der Regel zur Beute hocherfreuter Grabräuber, die hier ihren großen Reibach machten.
In dem Dorf, in welchem ich groß geworden bin, gab es einen Mann, der äußerst sparsam, ja, geradezu geizig war und entsprechend asketisch lebte. Als er starb und ein entsprechendes Guthaben hinterließ, sagten die Leute: "Es danken die lachenden Erben!"
Sicher ist eine solche Bemerkung im Angesicht des Todes schon im gewissen Sinn makaber: Dennoch zeigt sie uns, dass wir am Ende alles loslassen müssen; uns nützt am Endeffekt das dickste Bankkonto nichts und auch nicht der Immobilienbesitz, den wir haben. Wir können unser Leben lang gesammelt und angeschafft haben und müssen dann doch erkennen, dass wir nichts mitnehmen. Selbst von einem Staats- und Heldenbegräbnis haben wir nichts.
Nach bekannten Persönlichkeiten werden Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Strassen und Plätze benannt, aber was bringt es z. B. Goethe und Schiller, dass Strassen ihre Namen tragen, was bringt es Mozart und Beethoven, dass Schulen nach ihnen benannt sind? Von diesen Ehrungen haben sie persönlich nichts mehr: Wir Lebenden werden - so hoffe ich - an ihre künstlerischen Leistungen erinnert, und es ist auch gut, Menschen zu gedenken, die sich in herausragender Weise um die Gesellschaft, die Wissenschaft, das Gemeinwohl verdient gemacht haben. Aber letztendlich müssen wir erkennen, dass Gott alles gehört: Sogar das, was wir als unser eigen dünken, empfangen wir aus Seiner gnädigen Hand.
Letztendlich waren auch die Opfergaben, die die Menschen entsprechend den mosaischen Gesetzen Gott darbrachten, längst schon Gottes Eigentum. Gott gab die Opfergesetze nicht deshalb, weil Er Opfer nötig gehabt hätte: Das hatte Er nie und hat es auch nicht und wird es nie haben! Alles gehört Ihm, und Er kann sich jederzeit nehmen, was Er will. Es ging und geht darum, dass wir Menschen dies brauchen. Es ist also eine Form Seiner Gnade und Sein Wunsch, mit uns Menschen Kontakt zu haben. Gott möchte eine lebendige Beziehung zu uns haben, weil es uns Menschen gut tut und Er uns dafür geschaffen hat, Gemeinschaft mit Ihm zu haben.
Die Erkenntnis, dass Gott alles gehört, bewirkt Verschiedenes: Das Erste ist, dass ich um meine Abhängigkeit von Gott, dem Vater, weiß. Ohne Ihn kann ich nichts tun, und wenn Er mir nichts gibt, dann habe ich auch nichts. Diese Erkenntnis soll mich aber nicht fertig machen, sondern mich dazu bringen, Gott zu bitten und zu danken. Damit bin ich in der Rolle eines kleinen Kindes, welches in der Abhängigkeit seiner Eltern ist. Ein Kind weiß, dass es Papa und Mama braucht, doch es hat im Normalfall Vertrauen zu ihnen und weiß, dass es alles bekommt, was es zum Leben braucht. Deshalb wollen kleine Mädchen so hübsch und so schlau wie Mama werden und oft auch einen Mann heiraten, der so wie Papa ist. Kleine Jungen wünschen sich, so groß und so stark wie Vater zu werden, der ja alles weiß und kann und der die Spielzeuge fachgerecht repariert.
So sollen wir auch zu Gott kommen. Wir sind ja ähnlich wie die kleinen Kinder, die sagen: "Ich kann das alleine!" Und nach spätestens fünf Minuten rufen: "Mama, Papa: Helft mal!" Zum Glück ist Gott niemals genervt, zum Glück hat Gott immer Zeit und immer einen Termin für uns frei, auch wenn es zu sehr ungünstigen Zeiten ist. Er freut sich, wenn wir Ihn bitten, und wenn wir einen Teil der Gaben, die wir von Ihm empfangen, für die Reich-Gottes-Arbeit investieren, dann freut Er sich mehr noch als der Vater, der von seinen Kindern ein Geschenk zu Weihnachten bekommt, obwohl er weiß, dass die Kinder dies von dem Taschengeld gekauft haben, welches er ihnen gab.
Eine andere Auswirkung ist, dass ich dann mit der Schöpfung verantwortlicher umgehe: Sie gehört ja nicht mir, nicht uns Menschen, sondern wir haben sie von Gott bekommen, um in Seinem Auftrag verantwortlich damit umzugehen. Wenn ich ein Auto, dessen Eigentümer ich bin, durch Transporte am Lack zerkratze, dann ist es ausschließlich mein Problem. Es liegt an mir, ob es für mich in Ordnung ist oder nicht. Bei einem Wagen, dass mir ein Freund oder eine Autovermietung geliehen hat, gehe ich vorsichtiger um. In Büchern, die mir gehören, kann ich munter drauflos mit Textmarkern und Bleistift Textstellen markieren und Gedanken am Rand oder unten auf der Seite notieren, doch wehe ich mache das an einem Buch aus der Bücherei! Will sagen: Gottes Schöpfung ist etwas, mit dem ich sehr pfleglich umzugehen habe. Dann wirft man Schmutz nicht einfach auf den Boden.
Vor allem werde ich dankbar, in dem ich die Größe Gottes und Seine Gnade erkenne. Indem Er mir schenkt, was ich brauche, kann ich leben. Dankbarkeit schützt vor Gier. Ich muss nicht alles haben, es bedarf nicht dem Rolls Royce, der Traumvilla, dem Schloss, den Milliarden auf dem Konto, auch wenn mich gerade gegen Letzteres nicht sonderlich wehren würde. Gott gibt immer genug und zur rechten Zeit. Darauf dürfen wir vertrauen.
Er verachtet alles, was hoch ist; er ist ein König über alles stolze Wild.
Hiob 41, 26
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