Die Deutsche Einheit wird Dr. Helmut Kohl, den Kanzler der Einheit, einmal den Ehrenplatz in den Annalen der Geschichte einbringen; dabei wird übersehen, dass es Christen gewesen sind, die für die Wiedervereinigung Deutschlands gebetet haben: Ihre Gebete wurden in der Zeit von 1989 bis 1991 erhört, und wir haben das Glück, dass diese Revolution friedlich und unblutig verlaufen ist. Dafür dürfen wir Gott danken und auch dafür, dass das gottlose SED-Regime beendet ist: Die Unterdrückung der Menschen in der ehemaligen DDR, der Schießbefehl und die Verhörmethoden der ehemaligen STASI sind nicht die einzigen Unerträglichkeiten des "ersten Arbeiter- und Bauernparadieses auf deutschem Boden". Was möchte ich damit sagen?
Sicher dürfen wir vor Gott unsere Bitten und Anliegen bringen; im Fall der Deutschen Einheit zeigt sich, dass Gott nichts unmöglich ist. Deshalb können und dürfen wir Gott auch vertrauen: Kein Anliegen ist Ihm so groß, kein Anliegen ist Ihm zu klein. Alle sind wir Ihm gleich wichtig, und Er ist für jeden von uns ansprechbar. Wenn sich ein Anliegen erfüllt hat, dann darf es für uns keine Frage sein, Gott Dank, Lob, Preis und Ehre darzubringen; das verlangt allein schon der Anstand. Wir dürfen also noch lange dafür danken, dass es zur deutschen Einheit gekommen ist und dass es dabei keine Gewalt gab.
Zugleich zeigt sich aber auch in den zwanzig Jahren der Wiedervereinigung, dass dies insbesondere in den gar nicht mehr so neuen Bundesländern zu einer Massenarbeitslosigkeit gekommen ist, deren Lösung sich noch lange nicht abzeichnet: Im Osten unseres Landes kommt es wegen mangelnden Stellenangeboten zu einer derart großen Abwanderung, dass dort ganze Landstriche regelrecht ausbluten.
Doch auch im Westen kam es aufgrund der massiven Truppenreduzierungen zu einer steigenden Zahl von Arbeitslosen: Nicht nur die US-Amerikaner zogen ihre Streitkräfte massiv ab und entließen zigtausende von deutschen Zivilangestellten, sondern auch die Briten, die Franzosen, die Niederländer, die Belgier und die Kanadier: Hier gingen zahlreiche Arbeitsplätze für deutsche Zivilangestellte verloren, ganz zu schweigen davon, dass viele deutsche Unternehmen wie Autohändler und Gastronomie durch die Stationierungsstreitkräfte große Umsätze machten, die nun fehlen.
Wenn Gott uns eine Bitte erfüllt, dann hat sie immer auch Konsequenzen, die wir so nicht absehen können: Seien wir deshalb bei den Gebeten weise und bitten Gott, uns vor negativen Folgen zu bewahren. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Gott ist nicht schuld für die Arbeitslosigkeit, ich will nur zum Ausdruck bringen, dass wir immer zugleich auch um Bewahrung bitten müssen vor den Angriffen des Feindes, der ja keine Gelegenheit auslässt, uns von Gott wegzuführen. Der Teufel versucht im Falle der deutschen Einheit den Menschen einzuflößen, Gott sei nicht allmächtig. Deshalb ist es ja so wichtig, immer um Bewahrung zu bitten.
Gleichzeitig zeigen unsere Bittgebete auch, ob wir unsere Nächsten lieben: Wenn wir für Arbeitslose, Kranke, Arme, Bedürftige, Behinderte und Leidende beten und vor Gott eintreten, dann zeigen wir, dass uns deren Schicksal nicht egal ist. Es bringt auch - wenn unser Gebet ernstlich ist - Konsequenzen für unser Handeln mit: Wenn ich ernsthaft bete, dass Gott für die Trauernden da ist, dann werde ich nicht wegschauen, wenn ich jemanden weinen sehe, sondern ich werde versuchen, den Betreffenden zu trösten.
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