Städte und Dörfer haben bereits weihnachtlich dekoriert, und auch vor vielen Häusern und in den Fenstern sehen wir die entsprechenden Dekorationen. Selbstverständlich haben die Weihnachtsmärkte geöffnet. Der Geruch von Weihnachtsgebäck, von Zimt, Glühwein und Punsch durchzieht die Luft. Adventskränze und Weihnachtsbäume gehören selbstverständlich dazu. Viele besorgen die Geschenke. Mancher freut sich auf ein paar besinnliche, ruhige Tage im Kreise seiner Lieben.
Geschäftsleute freuen sich, weil ihre Kassen süsser nie klingen als zur Weihnachtszeit: Geschenke verkaufen sich sehr gut, und weil die Menschen gerade in dieser Zeit grosszügig sind, versenden Hilfsorganisationen ihre Bittbriefe: 50 Prozent des Spendenaufkommens wird gerade in dieser relativ kurzen Zeit erwirtschaftet.
Gleichzeitig haben Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste Hochkonjunktur: Brennende Adventskränze und Weihnachtsbäume, Familienstreitigkeiten, die sehr oft sogar handfest ausgetragen werden, sind die Gründe dafür. Aber auch die Telefonseelsorge hat an diesen Tagen Stress pur: Einsame, Verzweifelte und Trauernde empfinden diese Zeit als besonders schmerzlich. Die Zahl der Selbstmorde ist hoch wie nie.
Doch für was steht Weihnachten eigentlich? Ist es der alljährliche "Konsumterror", der Einkaufs- und Vorbereitungsstress? Muss es an Weihnachten so viele menschliche Tragödien geben, zu so vielen Katastrophen kommen? Mich jedenfalls macht es traurig, wie Weihnachten verzerrt wird.
Ich denke da an den Einen, dessen Ankunft, dessen Geburt wir feiern: Jesus! Er ist in einem Stall, mitten unter Tieren geboren, weil für Ihn kein Platz war in der Herberge. Er wurde den Hirten, den Ausgestossenen jener Zeit erst kund getan. Danach kamen die Weisen aus dem Morgenland dran. Und das hat sehr viel Tröstliches. Weil Jesus unter erbärmlichen Bedingungen zur Welt kam, kann Er die Armen und Notleidenden verstehen. Weil Er erst den Ausgestossenen kund getan wurde, kann jeder kommen, auch wenn er in menschlichen Augen Pack, Pöbel ist, zu den "bildungsfernen Schichten" gehört, gescheitert ist, auch wenn man ihn einen "Bahnhofspenner" schimpft. Jesus hat da keinerlei Berührungsängste.
Das aber ist zugleich Verpflichtung: Weil Jesus sich zu all jenen neigt, die niemand will - Er hat sie ja auch die Geringsten Seiner Brüder genannt -, darf ich mich nicht mit eigenen Vorurteilen zufrieden geben, sondern habe die Menschen zu achten, zu lieben und zu respektieren. Weil Jesus in die Welt gekommen ist, kann ich mich in allen Sorgen, Nöten und in aller Verzweiflung an Ihn wenden. Weil es Ihn gibt, weil Er alle menschlichen Nöte durchlebt hat, weil Er Seine Herrlichkeit gegen die Hilflosigkeit eines Säuglings in Armut eingetauscht hat, weiss ich, dass Er mich versteht.
Aber es ist auch eine weitere Botschaft an mich, an uns alle: Gott wurde Mensch! Wir reden oft von Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit, von Humanisierung - also einer Steigerung der Menschlichkeit - in Wirtschaft, Beruf, Gesellschaft und Schule wie auch in allen anderen Bereichen. Doch dies ist nichts hypothethisches, wenn wir selbst menschlicher werden. Das bedeutet, dass wir uns der christlichen Tugend der Nächstenliebe ruhig öffnen dürfen.
Wenn wir Liebe in unseren Alltag bringen, dann gibt es weniger Not, weniger Leid, weniger Einsamkeit. Dann ist Humanisierung mehr als nur ein Wort. Dann wird die Gesellschaft menschlicher. Und dann hätten wir jeden Tag Weihnachten.
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