Jesus antwortete Pilatus: "Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben
wäre."
Johannes 19,11
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Man stelle sich vor: Da steht Jesus - scheinbar völlig hilflos, schwach und in Ketten - vor Pilatus, dem mächtigsten Mann der römischen Provinz Judäa. Und Pilatus prahlt: "Weißt Du nicht, dass ich Macht habe, Dich loszugeben, und Macht habe, Dich zu kreuzigen?" Und Jesus, der bisher kein Wort gesprochen hat, stellt nüchtern, aber für Pilatus niederschmetternd fest: "Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre."
"Von oben"! Von oben hat ja Pilatus seine Macht. Er ist Beamter und so in die Ämterhierarchie eingebunden. Es gibt nur einen, der über ihm steht: seinen Kaiser. Und im heidnischen römischen Staat gab es keine höhere Macht als den vergöttlichten Kaiser. Jesus sagt Pilatus deutlich: Du bist nur Werkzeug in der Hand eines Höheren. Und damit kann durchaus zunächst einmal der Kaiser als Vorgesetzter, als "der da oben" gemeint sein. Aber es schwingt noch etwas anderes in diesen Worten mit, etwas, das entscheidend ist: Jesus stellt Pilatus vor die Wirklichkeit Gottes, des allmächtigen Vaters. Pilatus hätte keine Macht, wenn ihm Gott der Vater nicht einen Handlungsspielraum lassen würde. Pilatus ist insofern ein Glied im Heilsplan Gottes. Das heißt: Gott selbst gibt Pilatus die Macht, Jesus kreuzigen zu lassen, damit Gottes Wille geschehe. Gott will, dass allen Menschen geholfen werde. Er will allen die Chance zur Rettung bieten. Der Weg dahin führt einzig über das Kreuz von Golgatha.
Auch wir sehen: Mit unserer Macht ist nichts getan. Ja, je höher wir sitzen, um so tiefer können wir fallen. Es gibt nur Einen, der alle Macht in Händen hält: Gott den Schöpfer, Erlöser und Vollender der Welt. Er herrscht über Fürstentümer, Throne und Mächte (Epheser 1). Er stößt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Geringen (Lukas 1,52). Ja, Er besitzt so große Macht, dass es Ihm nichts ausmacht, sich selbst Seiner Macht zu entäußern (Philipper 2,7). Denn Seine Macht besteht in der Liebe, in der mächtigen Liebe zu Seinem Geschöpf. So kann es auch heißen: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig (2. Korinther 12,9). Indem Er sich der Schwachen erbarmt, erweist sich Seine Stärke, die die Sünde besiegt und uns dem Rachen des Todes entreißt.
Macht Gottes ist nicht Willkür eines Tyrannen, sondern gnädiges Erbarmen gegenüber uns unwürdigen Sündern. Macht beinhaltet die überströmende Fülle der Liebe, aber auch die strenge Schärfe des Gerichts, wo dies nötig ist. Gott ist weder "Tyrann" noch "Hampelmann", sondern fürsorgender Vater und liebender, strenger Erzieher. Je mehr Gott, je mehr Jesus in unserem Leben Macht gewinnt, desto stärker werden auch wir werden, desto besser werden wir den Angriffen feindlicher Mächte, der Sünde und des Satans, widerstehen. Aber Macht muss erbeten sein, sie kommt nicht aus eigener Kraft. Macht ist immer Vollmacht. Und nur bei Gott ist die volle Macht.
Der Mensch setzt sich auf den Thron und spricht:
„Hinweg mit dir, Gott. Ich will dich nicht.
Gott – das bin ich selber.“
Gott sitzt auf dem Thron und spricht:
„Komme her zu Mir, Mensch! Ich liebe dich.
Ich werde Mensch, damit du lebst.“
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