Dies ist das zweite der Zehn Gebote, ein Gebot, dass von unseren jüdischen Mitbürgern meist so streng eingehalten wird, dass es unter ihnen nur sehr weniger Kunstmaler gibt. Auch bei den Amish-People in den USA wird dieses Gebot mit grosser Strenge eingehalten; manche der Amish lehnen sogar Fotos auf ihren Ausweisen ab. Meines Wissens gibt es in Deutschland auch eine kleine Gruppe von Urchristen, die sich eben wegen dieses Gebotes weigert, ein Foto für ihre Pässe oder Führerscheine machen zu lassen; sie schlagen den Behörden deshalb vor, stattdessen den eigenen Fingerabdruck auf dem Ausweis abzubilden.
Sicher war und ist dieses Gebot nicht so gemeint, wie es nach den gerade genannten Definitionen ausgelegt wird; dennoch ist dieses Gebot sehr wichtig: Für uns als Christen ist es wichtig, Seine Gebote einzuhalten, nicht nur, um selbst glaubwürdig zu sein, sondern und gerade deshalb, weil Jesus sagte, dass der, der Ihn liebt, auch Seine Gebote einhalten wird.
Es geht hier vor allem um das Bild, das wir uns von Gott machen. Ich denke nicht, dass man Gott auf Bildern darstellen kann: So gross ist Seine Heiligkeit, Seine Majestät, Seine Unfehlbarkeit, Seine Souveränität.
Doch es geht auch um etwas Anderes: In allen heidnischen Kulturen wurden Götter bildlich dargestellt und / oder Skulpturen von ihnen gefertigt; Statuen zierten die heidnischen Tempel im alten Babylon genauso wie im fernen China, im alten Rom genauso wie in Griechenland der Antike. Auch die Pharaonen, die den Augapfel Gottes - die Juden - versklavt hatten, stellten ihre Götter bildlich in ihren Hieroglyphen, aber auch durch Masken und Skulpturen dar. Während des Exodus, als Mose auf dem Berg in der Wüste Sinai die Zehn Gebote empfing, brüllten die Hebräer müde geworden von der Wüstenwanderung und gar jeden Vertrauens nach einem Götzenbild. Danach fand der sprichwörtlich gewordene Tanz um das Goldene Kalb statt, der aus den Schmuckstücken, den Ringen und dem Geschmeide, welches die Hebräer trugen, angefertigt worden war, um zurückzukehren zu den Fleischtöpfen Ägyptens: Sie, die noch nicht lange vorher nach Freiheit riefen und dem harten, unmenschlichen Joch ihrer Sklaventreiber entrinnen wollten, sehnten sich zurück in die Unterdrückung und Unmündigkeit von Sklaven: Lieber wollte man Befehlsempfänger als mündiger Bürger sein.
Dieser Aspekt zeigt, dass der lebendige Gott der Bibel uns als mündige Bürger haben möchte: Wer mündig ist, entscheidet selbst, ob er Gott folgen möchte oder nicht; deshalb gibt es sowohl im Himmel als auch in der Hölle nur Freiwillige. Als Mündige verstehen wir auch den Sinn der göttlichen Gebote. Wir halten sie nicht aus einem blinden Kadavergehorsam ein, sondern aus Liebe und in der Einsicht, dass sie gut für uns sind. Das ist ein entscheidender Unterschied.
Es geht aber nicht nur um die bildliche Darstellung Gottes, die schier unmöglich ist, sondern um das Bild Gottes überhaupt. Die Frage lautet, wer Gott für uns wirklich ist. Sehen wir in Ihm den allmächtigen Vater, dem wir immer und in allen Angelegenheiten voll vertrauen können, weil Er uns liebt und alles vermag oder ist Er für uns der alte, senile Mann mit dem Rauschebart? - Wenn Er Letzteres für uns sein sollte, dann wehe uns! Gott lässt sich nicht spotten!
Natürlich machen wir uns im übertragenen Sinne immer ein Bild von Gott, und selbstverständlich können wir Ihn niemals auch nur im Ansatz, geschweige in Seiner ganzen Grossartigkeit und Majestät erfassen. Gott weiss das und hält uns das auch nicht vor. Aber es macht einen Unterschied, ob wir an Seine Grösse, Seine Allmacht, Seine Heiligkeit und Seine Majestät glauben oder ob wir Ihn nur als Notnagel sehen, der uns die Suppe, die wir uns selbst eingebrockt und versalzen haben, gefälligst auslöffeln soll. Nein, Gott ist nicht der Lückenbüßer für schlechte Zeiten, dem wir den schwarzen Peter zuschieben und alle Schuld zuweisen können.
Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass Gott gerade dann für uns da ist, wenn es uns richtig dreckig geht. Zu Ihm dürfen wir kommen mit all unserer Schuld, die Er reinwäscht, mit all unseren Sorgen, Problemen, Nöten und Ängsten, mit unseren Wünschen, Begehrlichkeiten, Wunden und Hoffnungen. Er liebt uns, Er ist ein fürsorglicher Vater, dem Seine Kinder wichtig sind. Ihn dürfen wir getrost fragen und um Weisheit bitten. Allerdings gehört auch dazu, Gott zu danken, zu loben und zu preisen. Wer Gott dankt, lobt und preist, versteht mehr und mehr, wie gross Gott ist und vertieft dadurch das Vertrauen zu Ihm.
Nutzen wir dieses Gebot, um uns einzugestehen, dass wir Gott in Seiner Einzigkeit niemals verstehen und erfassen können, nutzen wir es aber auch, uns dankend und voller Vertrauen zu Ihm zu wenden.
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