Das Gebot der Nächstenliebe und der Brüderlichkeit ist keine Einbahnstraße; so, wie mich meine Glaubensgeschwister lieben sollen, soll auch ich sie lieben. Genauso, wie sie mich stärken und mir in meiner Glaubensentwicklung helfen sollen, genauso ist es meine Aufgabe, meine Glaubensgeschwister zu stärken und sie in ihrer Glaubensentwicklung zu helfen, so gut ich kann.
Die Kinder sollen ihre Eltern ehren: Das steht schon in den Zehn Geboten. Es ist auch das erste Gebot, dass eine Verheißung hat, nämlich die, dass derjenige, der Vater und Mutter ehrt, lange leben wird auf Erden, also eine hohe Lebenserwartung hat. Die Eltern sind ja diejenigen, die einem das Leben geschenkt haben und deren Fürsorge uns gedeihen und aufwachsen ließ. Sie haben auf Vieles verzichtet: Die Mutter auf ihre Karriere, der Vater auf manch erholsamen Feierabend und beide auf jene finanziellen Mittel, die sie als Doppelverdiener zusätzlich gehabt hätten, aber auch auf jene finanziellen Mittel, die sie für uns aufgewendet haben, weil wir ja Windeln, Nahrung und Kleidung brauchten. Deshalb haben unsere Eltern auch Anspruch darauf, dass wir sie in Alter, Krankheit und Pflegebedürftigkeit nicht im Stich lassen.
Doch auch als Eltern sind wir in der Verantwortung: Wenn wir als Väter unsere Kinder beständig unterdrücken und ihnen jeden Spaß nehmen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Kinder sich von uns distanzieren. Sicher gehört zu einer guten Erziehung auch eine gehörige Portion Konsequenz und Strenge, aber genauso gehört auch Lob dazu. Wenn wir - und dies nicht nur als Väter, sondern auch als Mütter - unseren Kindern zeigen, dass sie geliebt und erwünscht sind, dass wir uns freuen, dass es sie gibt, dann haben Kinder auch Vertrauen zu uns und sind offen für das, was wir ihnen beibringen.
Dafür müssen wir auch die Individualität des Kindes sehen: Ein Kind ist vielleicht ein guter Mathematiker, dafür aber schlecht in Sprachen und umgekehrt. Wir müssen die Stärken und Schwächen unserer Kinder entdecken und sie entsprechend fördern und Mut machen. Dieses Mut machen gilt vor allem in Sachen des Glaubens. Und wer von der Liebe und der Vergebungsbereitschaft Jesu erzählt, der darf zwar seinen Kindern klar machen, dass böse Taten ihre Konsequenzen haben und man Böses bereinigen muss durch eine Entschuldigung und dem ehrlichen Bemühen, den Schaden soweit als möglich wieder gut zu machen, doch es muss auch die Bereitschaft da sein, den Kindern zu vergeben. Vor allem müssen sie wissen, dass sie immer zu uns kommen können, wenn sie etwas verbockt haben und wir sie bei der Bereinigung der Fehler und der Schuld unterstützen.
Dasselbe gilt auch für die, die in diesem Bibelabschnitt als Sklaven bezeichnet werden: Im alten Rom gab es ja noch Sklaven; heute gilt dies im übertragenen Sinne für Angestellte und Auftragnehmer. Das, was sie für ihre Vorgesetzten bzw. für ihre Kunden und Auftraggeber tun, sollen sie in erster Linie für den Herrn tun. Die Qualität unserer Arbeit soll zeigen, wessen Geistes Kind wir sind. Wenn wir etwas für den Herrn tun, dann sollen wir unser Bestes geben. Wenn wir also für den Herrn arbeiten, dann werden wir engagiert sein. Diese Arbeit für den Herrn gilt nicht nur für Mission, gilt nicht allein für das Gebet, beschränkt sich also nicht allein auf die Arbeit in der Kirchengemeinde, sondern auch im Alltag an unseren weltlichen Arbeitsplätzen. Wenn unsere Kollegen bemerken, dass wir hilfsbereite Kollegen sind, die Kollegialität kein Fremdwort ist, wenn unsere Vorgesetzten sehen, dass unsere Arbeit nicht nur brauchbar, sondern gut ist, dann interessieren sie sich auch dafür, warum das so ist, und wir können auf unseren eigentlichen Herrn verweisen.
Umgekehrt gilt das auch für Vorgesetzte: Wenn Mitarbeiter bemerken, dass der Vorgesetzte "anders ist als die anderen", dann fragen sie unwillkürlich, woran das liegt. Ein Vorgesetzter kann, darf und muss eine gewissenhafte, pünktliche Arbeit verlangen, aber er muss auch die Fürsorgepflichten gegenüber der ihm anvertrauten Mitarbeiter einhalten. Es kann nicht angehen, dass Mitarbeiter reihenweise im Stress regelrecht kaputt gehen. Ein christlicher Arbeitgeber ist zudem angehalten, die Löhne pünktlich zu zahlen, denn die Mitarbeiter müssen ja ihrerseits auch die Rechnungen pünktlich zahlen. Wenn sie bemerken, dass ihre christlichen Vorgesetzten Fürsorge im besten Wortsinne betreiben und selbst zuverlässige Partner sind, so ist die Motivation der Mitarbeiter höher, ihre Zuverlässigkeit ebenso. Vor allem fragen sie dann auch, woran es liegt, und es ergibt sich die Möglichkeit zur Mission.
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