Aussätzige, Eiterflüssige und diejenigen, die mit Toten in Berührung gekommen sind und daran unrein wurden, hatten zu mosaischen Zeiten das Lager zu verlassen. Das klingt in unseren Ohren hart und grausam, und diejenigen, die aus diesen Gründen zumindest zeitweise aus dem Lager heraus mussten, hätten sich ganz sicher außer der Krankheit als solche auch etwas Besseres und Schöneres vorstellen können. Aber wir müssen uns auch bewusst machen, dass die hygienischen Bedingungen der damaligen Zeit trotz aller Reinlichkeit, die für die Menschen des Nahen Ostens bezeichnend ist, beleibe nicht so gut gewesen sind, wie wir es aus unserer Gegenwart her kennen. Deshalb war dieses Gebot eine Schutzbestimmung, genauso wie es heute dem Schutz dient, dass wir uns die Hände vor dem Essen gründlich waschen, dass Ärzte und andere Personen, die mit Leichen in Berührung kommen, sich mit Desinfektionsmitteln reinigen, um nicht sich selbst und Andere durch Leichengift zu gefährden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es für das jüdische Volk selbstverständlich war, diejenigen, die unrein geworden waren, mit Nahrungsmitteln und Wasser zu versorgen, auch wenn dies nur durch besondere Schutzvorkehrungen möglich war.
Streckenweise kennen wir auch heute ähnliche Schutzmaßnahmen. Bei bestimmten, besonders ansteckenden und gefährlichen Krankheiten werden Menschen auf Isolierstationen der Krankenhäuser untergebracht, prinzipiell nichts Anderes als die damalige Schutzmethode. Und nach großen Katastrophen wie Erdbeben und Brände, die manchmal sogar in Kombination miteinander auftreten, ist es oft nicht möglich, die Leichen zu begraben: Man kann sie dann wirklich nur noch - man verzeihe mir bitte diesen rigorosen Hinweis - auf einen großen Haufen tun und verbrennen, um so Epidemien zu vermeiden, die eine noch grössere Zahl an Opfern fordern würde und die notwendigen Hilfsmaßnahmen auf fatale Weise ins Stocken bringen würden.
Gottes Gebote mögen zwar in unseren Ohren hart klingen, sie haben aber eine Schutzfunktion. Wenn wir uns an unsere eigene Kindheit zurück erinnern, dann müssen wir, wenn wir ehrlich sind, doch auch zugeben, dass manches Verbot der Eltern uns als sehr hart vorkam, aber im Nachhinein haben wir dann verstanden, dass es zu unserem Schutz war und die üblen Konsequenzen, dass unser Handeln mit sich gebracht hätte, auf jeden Fall noch härter gewesen wären als das elterliche Verbot. So ist es auch mit Gottes Geboten: Gott hat nämlich den Überblick und weiß, was gut für uns ist und was nicht. Würden wir uns unter die Gebote Gottes mit aller Konsequenz stellen, dann wäre das Antlitz unserer Erde wesentlich besser. Es gäbe dann ja auch keine Morde mehr, keinen Diebstahl. Wie viel Streit würde vermieden, wenn wir uns an die Bergpredigt hielten und damit sanfter, friedfertiger wären und unsere Feinde, statt sie zu hassen und zu bekämpfen, liebten und segneten?
Bei einem Bäcker las ich den Spruch: "Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart!" In Anlehnung dieser Weisheit kann man auch sagen: "Gottes Gebote sind nicht hart. Sünde, die ist hart!"
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