Sei stille dem HERRN und warte auf ihn; erzürne dich nicht über den, dem sein Mutwille glücklich fortgeht. Steh ab vom Zorn und laß den Grimm, erzürne dich nicht, daß du nicht auch übel tust.
Psalm 37, 7-8 (Luther 1912)
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Rächet euch selber nicht, meine Liebsten, sondern gebet Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der HERR.«
Römer 12,19 (Luther 1912)
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Es gibt Menschen, die einem das Leben ganz bewusst sehr schwer machen, die ständig schlecht über Andere reden und deren Hobbies Verleumdung und Mobbing sind. In einer Fernsehreportage wurde von einem Mann berichtet, der jeden anzeigte, der falsch parkte; dieser Mann war und ist darin sogar fanatisch: Selbst die Besatzung eines Rettungshubschraubers im Notfalleinsatz wurde wegen Falschparkens angezeigt.
Solche "angenehmen" Zeitgenossen erfreuen sich auch bei mir allergrößter Unbeliebtheit. Ganz sicher braucht dieser Mann einen dicken Dämpfer, aber dafür sind die Sicherheitsorgane im Staat da. Rachegelüste sind zwar in der menschlichen Natur verankert, aber Selbstjustiz ist glücklicherweise verboten.
Gerade in einigen südlichen Ländern war die Blutrache lange Zeit eine Tradition, die sehr viel Leid über die Menschen brachte, und dies manchmal sogar über einige Jahrhunderte hinweg. Die Schraube des Bösen rotiert immer weiter und immer schneller, wenn wir zur Rache oder gar zur Lynchjustiz schreiten. Rache und Lynchjustiz mögen in einem Western vielleicht einen gewissen Unterhaltungswert haben, der jedoch ziemlich zweifelhaft ist: Im realen Leben hat Beides aber rein gar nichts zu tun.
Überlassen wir es Gott, den Bösen in die letztendlichen Schranken zu weisen. Das bedeutet keinesfalls, dass wir das Böse zulassen. Unser geistlicher Kampf ist ja ein Kampf gegen Sünde und Unrecht. Rachegelüste sind aber hier völlig falsch, weil Zorn uns dazu bringt, selbst Böses und damit Unrecht zu tun. Der gewaltfreie Kampf Martin Luther Kings um die Bürgerrechte der afroamerikanischen Gesellschaft war und ist hierbei vorbildlich.
Oft ist es sogar gut, wenn unsere Feinde bemerken, dass wir ihnen nicht mit Hass begegnen. Dies bringt sie meist zum Nachdenken. Jesus sagte dazu in der Bergpredigt:
Ihr habt gehört, daß da gesagt ist: »Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel; sondern, so dir jemand einen Streich gibt auf deinen rechten Backen, dem biete den andern auch dar. Und so jemand mit dir rechten will und deinen Rock nehmen, dem laß auch den Mantel. Und so dich jemand nötigt eine Meile, so gehe mit ihm zwei. Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht von dem, der dir abborgen will. Ihr habt gehört, daß gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.« Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seid eures Vater im Himmel; denn er läßt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte. Denn so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? Und so ihr euch nur zu euren Brüdern freundlich tut, was tut ihr Sonderliches? Tun nicht die Zöllner auch also? 48 Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.
Matthäus 5,38-48 (Luther 1912)
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Diese Forderungen Jesu widerstreben uns und sind für uns schwer nachzuvollziehen: Das ging mir genauso. Doch meine Lebenserfahrung hat mich gelehrt, dass es besser ist, das Böse durch das Gute zu überwinden. Paulus schreibt im Römerbrief, Kapitel 12, Vers 21 dazu: "Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem."
Wir würden uns ja mit denen auf eine Stufe stellen, die böse sind, wenn wir genauso handelten wie sie. Wenn wir Böses tun - selbst wenn wir mit dem Bösen Böses vergelten -, dann geben wir dem Satan recht und öffnen ihm Tür und Tor. Nicht umsonst lesen wir im 1. Petrus 3, 9: "Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt."
Wenn wir Scheltwort mit Scheltwort vergelten, dann eskaliert oft der Streit. Bemerke ich, dass mein Gegenüber wütend ist und nur noch schimpfen, schreien und meckern kann, dann lasse ich ihn einfach stehen. Ist er zur Ruhe gekommen, dann biete ich ihm ein Gespräch an. Im ruhigen Ton lassen sich nämlich Dinge leichter klären als in einem aggressiven.
Auch und gerade wenn ich segne, zeige ich, dass ich mit dem Bösen nicht einverstanden bin. Aber Rachegelüste bringen nicht weiter und sind destruktiv; durch sie macht man sich selbst das eigene Leben schwer. Wer hasst, wird nicht nur selbst tatsächlich hässlich, und zwar hässlich in seinem Charakter, sondern wird krank. Derjenige aber, der das Böse mit dem Guten überwindet, geht gestärkt und als Sieger aus dem Kampf gegen das Böse hervor. Diese Gnade bewirkt Jesus, denn durch Ihn ererben wir ja den Segen.
Oft sind unsere Feinde erstaunt darüber, dass wir als Christen ohne Hass leben können. Mancher wurde zu einem Christen, weil er sah, dass christliche Nächstenliebe mehr als ein Wort, eine Hypothese, ein Ideal ist. So gab es einen Christen, der in einem Konzentrationslager ob seines christlichen Glaubens vom Kommandanten verspottet wurde; schickte die Frau des Gefangenen einen Kuchen, so ließ der Kommandant den Betreffenden kommen und aß vor ihm, dem Hungernden, den Kuchen genussvoll und trank dazu eine Tasse Kaffee und verballhornte den Gefangenen darüber hinaus auf das Übelste. Nach dem Krieg und der Befreiung fand der Christ eines Tages die Adresse seines Peinigers heraus und reiste hin. Was hatte er im Gepäck? - Den Kuchen seiner Frau. Beim ehemaligen KZ-Kommandanten angekommen, bat er dessen Frau, einen Kaffee zu kochen. Dann packte er den Kuchen aus und lud den Kommandanten dazu ein. Einige Jahre später wurde dieser Kommandant aufgrund dieses Erlebnisses selbst Christ.
Wenn wir für unsere Feinde beten und die segnen, welche uns beleidigen und verfolgen, dann verändern wir zunächst nicht die Anderen, wir verändern uns dadurch aber selbst. Wer für seine Feinde beten kann, der lernt auch, wie er mit einer bestimmten Person, mit einer bestimmten Situation parat kommt. Unsere Feinde merken dann, dass etwas anders ist mit uns. Mancher fragt sich dann, woran dies liegt: Im günstigsten Fall werden sie dann selbst zu Christen.
Sehen wir unseren Feind in Not, dann sollten wir nicht schadenfroh sein: Vor Gott ist Schadenfreude eine abscheuliche Sünde. Eine, die zwangsläufig auf uns zurück fällt. In Sprüche 25, 21-22 heißt es: "Hungert deinen Feind, so speise ihn mit Brot, dürstet ihn, so tränke ihn mit Wasser, denn du wirst feurige Kohlen auf sein Haupt häufen, und der HERR wird dir's vergelten."
Wenn ich einem meiner Feinde, der in Not geraten ist, eine gute Tat angedeihen lasse, dann gebe ich ihm Segen, und ich entziehe im gleichzeitig die Grundlage seines Hasses. In der Not, so heißt es richtig, werden oft aus Feinden Freunde.
Auch in meinem Leben hatte ich so manchen Feind, doch ich konnte zwei Feinden, die in Not geraten waren, helfen und tat dies glücklicherweise auch. Im ersteren Fall war ein kräftezehrender Streit schlagartig zu Ende, im zweiten sahen mich anschließend viele mit anderen, freundlicheren Augen. Anders ausgedrückt: Ich habe mir dadurch letztendlich selbst einen Gefallen getan. Und in diesen beiden Fällen war der Kreislauf des Bösen, Schlechten und Destruktiven durchbrochen.
Seine Feinde lieben, bedeutet ja nicht, ihr Verhalten gut zu heißen, sondern sich nicht von Hass und Wut anstecken zu lassen. Es bedeutet, ansprechbar zu bleiben und weise zu handeln.
(Autor: Markus Kenn) |