Es besteht kein Zweifel daran, dass auch unsere Vorfahren schuldig geworden sind: Dass Asaph hier auch darum bittet, die Verschuldungen unserer Vorfahren nicht anzurechnen, liegt nicht daran, dass wir dafür verantwortlich sind, sondern vielmehr daran, dass uns ihre Verfehlungen prägen. Wenn Eltern lügen, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Kinder ebenfalls zu Schwindlern werden. So gibt es Untersuchungen darüber, dass Jungen, die unter gewalttätigen Vätern groß werden, oft selbst zu Schlägern werden, während Mädchen in diesen Fällen überdurchschnittlich oft einen schlagenden Ehemann heiraten. Wir sind also von dem geprägt, was wir von Haus aus gelernt haben. Die Verfehlungen unserer Vorfahren schwächen auch uns, denn wir sind immer Kinder der Vergangenheit, der eigenen sowie der Familie.
Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen. Wir können zwar unsere Vergangenheit und unsere Vorfahren nicht ändern, wir können unsere Erfahrungen nicht auf null stellen, doch wir können Gott bitten, uns zu helfen, aus diesem Dilemma heraus zu kommen und uns zu retten. Diese Bitte darf aber nicht egoistisch sein: Es muss uns ausschließlich um die Ehre Gottes gehen, darum, Gott zu dienen und für die eigene Schuld gerade zu stehen.
Aus eigener Erfahrung, die ich leider auch immer wieder in meinem Christenleben mache und unter denen so mancher meiner Glaubensgeschwister zu leiden hat, weiß ich, dass das nicht einfach ist. Man gibt sich selbst in peinliche und schwierige Situationen: Es tut dem eigenen Ego nicht besonders gut, eingestehen zu müssen, dass man - man erlaube mir diese Formulierung - mal wieder richtig Mist gebaut hat. Doch was bleibt einem anders übrig?
Sicher kann man weiter machen wie bisher, was jedoch keinen Sinn macht. Ich kenne einige Alkoholiker, die wissen, dass sie der Trunksucht verfallen sind und sich therapieren lassen müssten, doch statt sich professionelle Hilfe zu holen, trinken sie weiter und versinken immer tiefer im Sumpf der Sucht. So ist es mit der Sünde: Wenn man immer weiter macht, dann sinkt man immer tiefer. Irgendwann erreicht man den Punkt von "no return", in dem es keine Rückkehr mehr gibt.
Unter Evangelisten gibt es die Erfahrung, dass sich junge Menschen leichter bekehren als Alte. Das liegt nicht etwa daran, dass man jungen Menschen leichter etwas "aufschwatzen" kann, denn sie lehnen sich eigentlich gegen das Althergebrachte auf, sie stellen viele kritische Fragen. Wenn ich mit Jugendlichen über den Glauben spreche, dann habe ich festgestellt, dass sie alles sehr genau wissen wollen und sich nicht mit lapidaren, oberflächlichen Antworten zufrieden geben. Dafür erkennen sie an, wenn man ehrlich zugeben muss, dass man da und dort passen bzw. sich selbst noch einmal schlau machen muss. Ältere bekehren sich deshalb schwerer, weil sie sich an das, was sie getan haben und tun, gewöhnt haben. Das merke ich selbst. Mit meinen knapp 49 Jahren muss ich aufpassen, dass mir nicht jener Satz herausrutscht, der mich als Kind und als Jugendlicher immer nervte: "Das war schon immer so!" Betriebs- und Berufsblindheit sind in der Regel eine Alterserscheinung.
So ist es auch mit den Sünden, die man beging: Man relativiert sie, man sieht sie als nicht so schlimm an, man findet und erfindet Ausreden und Entschuldigungen, man rationalisiert sie, man macht daraus Sachzwänge. Ja, man sagt, man hätte nicht anders handeln können. Am Ende sieht man seinen falschen Weg als richtig an und wird hartherzig. Leider trifft die Binsenweisheit "Übung macht den Meister" auch auf das Sündigen zu. Wer beständig sündigt, sorgt zugleich dafür, dass das Gewissen abstumpft. Die Folge davon ist, dass man hartherzig ist.
Jeder Sünder hat auch mal klein angefangen. Niemand ist von Anfang an ein krimineller Hochstapler oder Betrüger. Profikiller fangen auch erst mit "kleinen" Gewalttaten an. Sünde führt zur Gewöhnung, und der Mensch, der bekanntlich ein Gewohnheitstier ist, kann sich nur schwer davon trennen. Doch selbst, wenn es jemandem gelingt, schlechte Angewohnheiten zu beseitigen, dann bleibt dies oberflächlich. Oft haben diese Veränderungen ihre Ursache darin, dass es unserer Gesundheit abträglich ist oder wir Ärger vermeiden wollen. Von Herzen verändern kann uns nur Gott.
Deshalb ist es wichtig, dass wir Gott bitten, uns unsere Schuld zu vergeben und uns zu helfen, dass Er uns von unserer Sündhaftigkeit befreit. Niemand kann sich wie der Lügenbaron zu Münchhausen am Zopf aus dem Sumpf der Sünde und Schuld herausziehen. Das humanistische Weltbild, welches besagt, dass der Mensch im Grunde gut ist, hat sich im Laufe der Menschheitsgeschichte als Trugschluss heraus gestellt. Man muss nur Geschichtsbücher und Zeitungen aufschlagen.
Setzen wir wie Asaph unser Vertrauen auf Gott: Er wird uns nicht enttäuschen.
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