Bei Kindern wird es offensichtlich: Sie wollen das grösste Stück Kuchen, das grösste Eis, die meisten Geschenke haben. Als Erwachsene mahnen wir sie zur Bescheidenheit und haben Recht damit: Allerdings müssen wir bedauerlicherweise zugeben, dass wir keinen Deut besser sind als unser Nachwuchs; wir machen es nur etwas raffinierter. Letztendlich möchte Einer den Anderen mit dem übertreffen, was er selbst hat. Kauft sich der Nachbar ein neues Auto, dann hat man das Gefühl, selbst ein grösseres zu brauchen, das obendrein auch noch mehr Extras hat. Mancher reist nicht deshalb in die entferntesten Winkel dieser Welt, weil er gern Neues sieht, sondern weil er damit zeigen will, welche Touren er sich leisten kann.
Oft werden wir Menschen dadurch unruhig: Weil wir neiden, weil wir mehr haben wollen, weil wir fürchten, es könne dem Anderen besser gehen als uns, wollen wir immer mehr. Dafür verzichten wir auf Freizeit und lassen auch die Familie zu kurz kommen. Nicht selten gehen wir dann soweit, dass wir betrügen, dass wir bei der Steuererklärung nicht ganz ehrlich sind, dass wir uns mehr Stunden aufschreiben als wir tatsächlich gearbeitet haben, dass wir im Betrieb etwas mitgehen lassen statt es zu kaufen. Dies belastet dann unser Gewissen, und wir werden unruhig, bis unser Gewissen völlig abgestumpft ist. Doch dann sind wir auch nicht wirklich ruhig, sondern verbrämt. Sünde ist nun einmal immer destruktiv und richtet ihren Schaden nicht nur gegen Andere, sondern letztendlich und vor allem gegen uns.
Wer aber den Herrn fürchtet, der kommt auch mit wenig hin. Offen gestanden haben mich gerade diejenigen Zeiten, in denen es mir materiell nicht sonderlich gut ging, sehr viel gelehrt: Sie machten mich kreativer und vor allem dankbarer. Vieles, was uns selbstverständlich erscheint, ist eben nicht so selbstverständlich. Und wer selbst knapp ist, versteht auch die Nöte der Anderen wesentlich besser und wird sensibler für die Bedürfnisse der Anderen.
Meine Eltern haben mir oft erzählt, wie groß der Zusammenhalt in der schlechten Zeit der Nachkriegsjahre war. Der Eine kannte sich mit Pilzen aus, der Andere wusste, wo Kräuter wuchsen, der Nächste wusste, wie man Fische fängt. Man hielt zusammen, weil man einander brauchte, aber auch, um sich gegenseitig Mut zu machen. Die Stärke, im Team arbeiten zu können, war damals ausgeprägter als heute.
Menschen, die sich bescheiden können, neigen auch nicht zur Eifersucht: Sie gönnen vielmehr dem Anderen sein Glück und Seine Habe. Und mal ehrlich: Fährt man mit dem Zug in der zweiten Klasse nicht genauso schnell wie in der ersten? Mancher Geschäftsmann fliegt auch lieber in der günstigeren Kategorie, weil ihm die fünf Prozent mehr Service keinen wirklichen Vorteil bringen und er nicht einsieht, dafür zehn Prozent mehr zu zahlen.
Wenig schärft auch den Blick auf das, worauf es ankommt. Letztendlich macht ein Eintopf genauso satt wie ein Zehn-Gänge-Menü aus edelsten Speisen, und eine gesunde Ernährung hängt ganz sicher nicht davon ab, wieviel Kaviar wir täglich verzehren. Ein Stummfilmstar sagte einmal: "Man muss sich auch seinen Appetit auf Bratkartoffeln bewahren können!"
Die Furcht des Herrn ist dabei sehr wichtig. Ohne sie geht im Grunde gar nichts. Wenn ich den Herrn nicht fürchte, dann bringt mir aller Luxus dieser Welt nichts. Fürchte ich Ihn aber, dann bin ich dankbar, mag ich auch wenig haben. Ich jedenfalls bin froh, dass mein Blick sich mehr und mehr auf Gott hin ausrichtet. Das lässt mich besser unterscheiden zwischen Gut und Böse. Man muss letztendlich auch nicht alles haben. Abends schläft man ohnehin nur in einem Bett, und wer seinen Schlaf dem Herrn anbefehlen kann, hat dann in der Nacht mehr Ruhe als der, der nicht genug haben kann.
|