Sicher sah Hiob auch in diesem Kapitel auf sein Leid, das ihn so schwer gebeutelt hatte, und ich kann ihn ein Stück weit verstehen, denn wer Leid trägt, wer um die eigenen Kinder trauert, dessen Seele ist verwundet. Schmerz verblendet oft unsere Sicht, und Tränen machen unsere Augen trübe. Hiob wird daran gedacht haben, dass sich die Gerechten über sein Schicksal entsetzen würden: Ob sie sich wirklich über Hiobs Schicksal entsetzen, kann ich nicht endgültig beurteilen, doch dass Gerechte sich über Vieles entsetzen, das steht fest.
Gerechte sind gemäß der Heiligen Schrift Bibelgläubige, die sich nach den Geboten Gottes in ihrem Leben ausrichten und damit die Moral Gottes als eigene Überzeugung bekunden. Uns, die wir also bibelgläubig sind, muss es entsetzen, was um uns geschieht. Wir leben in einem sich ausbreitenden Sumpf der Sünde, weil Werte schwinden. Vor fünfzig Jahren war es noch üblich, dass vor dem Schulunterricht gebetet wurde, während heute der christliche Religionsunterricht immer mehr zurück gedrängt wird. Außereheliche sexuelle Beziehungen gehören zur Tagesordnung, an Nacktfotos kommt man nicht mehr vorbei, wenn man einen Kiosk oder einen Zeitschriftenladen betritt. Blasphemische Texte sind längst nicht mehr allein auf die Hardrockszene und Heavy Metal begrenzt, und in Deutschland wird alle vier Minuten ein Kind im Mutterleib getötet: Der Mutterleib ist also der gefährlichste Ort der Welt.
Längst nicht alle, die nach außen hin fromm erscheinen, sind es auch, und nicht jedes aktive Gemeindemitglied ist auch wirklich wiedergeborener Christ. Wie zu den Zeiten der Pharisäer sehen wir auch heute Menschen, die nur zum Schein lange Gebete verrichten. Manches gesellschaftliche, soziale und gemeinnützige Engagement geschieht leider nur aus Berechnung und nicht wirklich aus Liebe zu Gott und den Menschen, und dies kann man als Heuchelei bezeichnen.
Heuchelei aber ist eine Sünde, sie spiegelt falsche Tatsachen vor, sie macht, dass derjenige, der heuchelt, sich verbiegt und nicht ehrlich Anderen gegenüber ist; oft betrügen sich Heuchler auch selbst: Der Pharisäer aus dem Gleichnis mit dem Zöllner fiel auch auf seine eigene Beweihräucherung herein und hielt sich für einen Menschen, der vor Gott bestehen könne. Aber wir sind alle Sünder, keiner von uns ist wirklich gerecht. Nur durch Jesu Blut können wir uns reinwaschen von aller Ungerechtigkeit, nur aus Gnade heraus und nicht aus Werken werden wir gerettet. Ich selbst bin entrüstet, wenn ich höre, dass jemand der Ansicht ist, durch seine eigene Moral und den eigenen Anstand gerettet werden zu können; dabei richten die selbsternannten Gutmenschen oft mehr Schaden an, als diejenigen, die offen gestehen, dass sie Ganoven sind.
Das heißt nicht, dass ich selbst auch nur um einen Deut besser bin: Bekanntlich erkennt man seine eigenen Fehler vor allem bei den Anderen. Ich erwische mich selbst nicht nur regelmäßig, sondern auch oft dabei, wie ich mich zumindest innerlich selbst lobe: Am Liebsten protze ich mit der eigenen Sanftmut, der eigenen Geduld, der eigenen Hilfsbereitschaft; dabei fahre ich oft genug aus der Haut, wenn etwas nicht klappt, und ich verstehe es meisterhaft, wegzuschauen und / oder wegzuhören, wenn jemand meine Hilfe braucht. So gut wie ich mir einbilde, bin ich nun wirklich nicht.
Der wirklich Gerechte hat es da besser: Er ist geradlinig und schaut auf Gottes Gebote und nicht auf die eigenen Normen. Der Gerechte weiß darum, dass er die Gnade unseres Herrn Jesus braucht und dessen Vergebung wie einst der Zöllner, der sich nicht in Ausreden verlor, sondern Gott aufrichtig und beschämt gestand, dass er die Gnade des Herrn braucht. Wenn wir zu den Gerechten gehören, dann nicht, weil wir so gute Herzen und so edle Charaktere haben: Gott sagt uns Menschen, dass unser Herz böse ist von Jugend auf. Diese Aussage kann man in 1. Mose 8, 21 nachlesen.
Auch Paulus weist uns darauf hin, dass wir nur durch den Glauben gerechtfertigt sind, und wir tun als Gläubige gut daran, auf Jesus als das Ziel zu schauen. Nur wer das Ziel nicht aus den Augen verliert, kann gerade laufen. In Christen habe ich deshalb geradlinige Menschen gefunden, deren Rede eindeutig und zuverlässig ist. Durch die Veränderung, die Jesus bewirkt, werden unsere Hände gestärkt, weil wir dann einüben, Seinen Willen zu tun. Dadurch bleiben Christgläubige "in der Spur", um es einmal etwas technisch auszudrücken. Deshalb kann der, der ganz auf Jesus hin orientiert ist, sich niemals verirren.
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